Historischer Hafen Brandenburg e.V.

Als im 17.Jahrhundert die ersten Kanäle in Brandenburg erbaut wurden, entstanden an ihnen auch Werften. Die im Laufe der Zeit immer mehr vervollkommneten Kähne wurden gerudert, gestakt, getreidelt und gesegelt. Eine umwälzende Neuerung trat erst im 19. Jahrhundert ein, als zum Antrieb von Schiffen Dampfmaschinen verwendet wurden.

Das erste in unserem Gebiet erbaute Dampfschiff war die 1816 in Pichelsdorf bei Spandau erbaute "Prinzessin Charlotte von Preußen". 1835 wurde in Berlin dann sogar das erste stählerne Schiff erbaut.

Brandenburg an der Havel war um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Mittelpunkt der märkischen Ziegelindustrie. Zahlreiche Ziegeleien produzierten Millionen von Ziegelsteinen, die auf dem Wasserweg transportiert wurden.

Zu dieser Zeit richtete der Schlossermeister Carl Wiemann im Hause eines Tuchmachers in der Steinstraße 23 eine Schlosserei ein, die am 1. März 1867 eröffnet wurde. Es war ein Einmannbetrieb, der von Anfang an Qualitätsarbeit leisten musste, um konkurrenzfähig zu sein. Am 1. Oktober 1872 übernahm Carl Wiemann die Schlosserei und Maschinenbauanstalt des Schlossermeisters Wilhelm Waßmuth im Hause Steinstraße 18, die aus Altersgründen aufgegeben wurde. Bereits fünf Jahre später, am 9. Juni 1877, kaufte Carl Wiemann nun das Grundstück Kluge in der Großen Münzenstraße 3 für eine neue Werkstatt. Teilhaber wurde sein Bruder Wilhelm Wiemann, eigentlich ein Tuchmachermeister. Seit dem 1. Juli 1877 nannte sich der Betrieb nun 'Gebrüder Wiemann'.

1882 kam das Nachbargrundstück Große Münzenstraße 4 hinzu, eine ehemalige Stellmacherei. Aber diese Vergrößerung reichte noch nicht, und so wurde der Betrieb 1886 noch einmal verlegt auf das Grundstück Packhofstraße 5. Dieses Industriegrundstück hatte schon eine lange Geschichte und war seit 1866 eine Wollspinnerei mit Kessel- und Maschinenhaus. Die Gebrüder Wiemann ließen 1889 hier noch ein Gießereigebäude errichten. Um kleinere Schiffe zur Reparatur an Land ziehen zu können, entstand 1890 ein Längsslip. 1892 - der Betrieb war gerade 25 Jahre alt geworden – vernichtete ein Feuer die Maschinenfabrik, während die Gießerei unbeschädigt blieb. Die Fabrik wurde aber noch im gleichen Jahr wieder aufgebaut.

Unter den Maschinen, die der Betrieb erbaute, befand sich 1893 auch der erste Schwimmbagger, aber daß der Betrieb eine Werft werden könnte, war zu dieser Zeit noch nicht abzusehen. 1894 entstand auf dem Grundstück ein Wohnhaus 1896 wurde die Gießerei beträchtlich erweitert. Die Havelufer wurden befestigt, es wurde ein zweiter Schuppen an der Havel erbaut, ebenso ein Uferkran, und schließlich ein Dampfhammer. Da der Betrieb in der Stadtmitte am Havelufer konnten die Brandenburger von der sogenannten 'Jahrtausendbrücke' aus das Geschehen stets verfolgen.

Blicken wir kurz auf die Stadt um die Jahrhundertwende zurück. Brandenburg hatte zu diesem Zeitpunkt rund 50.000 Einwohner. Die Einwohnerzahl hatte sich in den letzten drei Jahrzehnten verdoppelt. Seit 1846 hatte die Stadt einen Eisenbahnanschluss nach Potsdam und Magdeburg. Der Schiffsverkehr war so gewachsen, dass der Bau der Krakauer Vorstadtschleuse notwendig geworden war. Rund 43.000 Schiffe und etwa 1300 Flöße mit zusammen 5 Millionen Tonnen passierten jährlich die beiden Schleusen in Brandenburg. Die 'Brandenburgische Städtebahn' und die 'Westhavelländische Kreisbahn' bestanden noch nicht, und so wurde der Personennahverkehr zu den Beetzseedörfern sowie in Richtung Pritzerbe, Rathenow und Havelberg von Liniendampfern besorgt.

Und im Stadtgebiet selbst rollte seit wenigen Jahren mit Erfolg die Pferdebahn . . .

In Jahrzehnten war ein Stamm von erfahrenen Facharbeitern und Meistern herangewachsen. Oft über Generationen hatten sie ein gutes Verhältnis zu ihrem Betrieb. Der jeweilige Firmenchef wurde noch bis in die Zwanziger Jahre mit "Vater" angesprochen. Nicht anders war es bei den Gebrüdern Wiemann. Deshalb gelang es auch, gegen bedeutend ältere und namhafte Schiffswerften zu bestehen. Denn nun wurde aus dem bisherigen 'stahlverarbeitenden' Betrieb eine Schiffswerft!

Zwischen Elbe und Oder liegt das Geflecht der märkischen Gewässer und der märkischen Wasserstraßen und mittendrin die deutsche Hauptstadt Berlin. Der gesamte Binnenschiffsverkehr zwischen Elbe und Oder musste dabei zwangsläufig die Stadt Brandenburg passieren. Für eine aufstrebende Werft eine geradezu ideale Lage.

Am 19.März 1901 wurde das erste hier erbaute Dampfschiff der Öffentlichkeit vorgestellt: ein Fischtransportdampfer von "ungewöhnlich schlanker Form", wie es in der Presse hieß. Bei einer Länge von 19 Metern und einer Breite von nur 2 Metern erreichte dieses Schiff mit 40 PS ca. 14 km pro Stunde. Bis zu 70 Zentner lebende Fische konnten die Tanks aufnehmen, die schon damals durch Umwälzpumpen mit Frischwasser versorgt wurden. Das Schiff war ausschließlich im Berlin-Verkehr eingesetzt und gehörte dem Fischer G. Schröder aus Brandenburg.

Der Standardtyp der Werft wurde aber zunächst der kanalgängige Schrauben-Schleppdampfer in verschiedenen Varianten. Der erste davon, die "Helene" mit 140 PSi, brachte es auf fast 80 Dienstjahre. Erst 1980 wurde das Schiff auf dem Rummelsburger See in Berlin stillgelegt. Der wenig später erbaute "Nordstern", einst auch als Personendampfer eingesetzt, ist noch heute in Fahrt.

Mit dem beim Bau des Silokanals anfallenden Aushub wurde 1902 eine Wiese neben dem Werftgelände aufgehöht. 1903 wurde dann ein Querslip mit 8 Wagen angelegt; diese Anlage war bis 1989 noch funktionstüchtig. 1904 begann der Bau einer Montagehalle und 1906 der Bau der ersten Schiffbauhalle. Sie wurden 1906 bzw. 1911 erweitert und waren bis 1956 in Betrieb. Durch diese Maßnahmen wurden schon sehr früh die Arbeitsbedingungen verbessert, als auf anderen Werften die Arbeiten noch weitgehend im Freien durchgeführt wurden.

Die schon bekannte und bewährte 'Wiemann-Maschine' konnte erstmals 1905 in ein fremdes Schiff eingebaut werden. Eine 50 PS-Variante erhielt das offene Dampfboot der Reederei Stein aus Pritzerbe, ein bereits im vorigen Jahrhundert in Holland erbautes Schiff. Es war später als "Willi" bei Bittkow bis Ende der 30er Jahre in Fahrt. Zur Werbung diente vermutlich die kleine Dampfyacht "EMILIE WIEMANN", die 1921 an eine Reederei in Bremen verkauft wurde. Im Jahre 1908 mußte die Werft erneut erweitert werden, wofür der 'Brandenburger Ruderclub' sein Pachtgelände 'Meinicke' an der Langen Brücke ("Jahrtausendbrücke") räumen musste. Er erhielt dafür als Ersatz das heutige Sportlerheim am Krakauer Wehr.

Am 24.September 1908 wurde diese kleine, aber bereits leistungsfähige Werft sogar 'hoffähig'. Erstmals kam die kaiserliche Dampfyacht "ALEXANDRIA" aus Potsdam zur turnusmäßigen Revision nach Brandenburg. Das Schicksal wollte es, dass dieses Schiff im Jahre 1923, nach Verkauf an eine Wiener Reederei, an gleicher Stelle zerlegt und per Bahn zur Donau überführt wurde. Dort ließ man es erst 1985 verschrotten.

Nach einem Großfeuer im Jahre 1910, dass sämtliche Lager vernichtete, wurde die Werft durch das Grundstück Packhofstraße 4, eine ehemalige Gärtnerei, noch einmal erweitert. An Stelle mehrerer Lokomobile entstand ein eigenes Kraftwerk. Ein Borsig'scher Wasserrohrkessel mit 100 m2

Heizfläche und 20 atü Druck lieferte Dampf für eine Dampfmaschine eigener Produktion, die einen Siemens-Schuckert Dynamoantrieb, der die Werft von nun an mit Strom versorgte. Im folgenden Jahr entstand für die Eisengießerei eine neue Halle von 15 m x 50 m mit zwei Kupolöfen und einer Metallschmelze für Gussstücke bis zu 10 t. Rationell wurden bereits damals die Abgase der Glühöfen für Kessel, Dampfhämmer und die Heizung der Werftgebäude genutzt. Ein elektrischer Laufkran und ein Uferkran wurden ebenfalls installiert. Außerdem wurde ein Schwimmkran eigener Produktion mit einer Tragkraft von 35 t in Betrieb genommen. Es war damals der stärkste Kran zwischen Berlin und Hamburg. Dieser Kran war für Jahrzehnte von der 'Jahrtausendbrücke' aus sichtbar, fast ein Wahrzeichen von Brandenburg. Er ist heute auf der Schiffswerft in Plaue noch vorhanden.

Schon seit der Jahrhundertwende hatte sich nach und nach der Verbrennungsmotor als Antrieb für kleine Schiffe durchgesetzt. Mit seiner Weiterentwicklung wurde er auch zunehmend für größere Schiffe verwendet, in Brandenburg z.B. mit dem Bau des Passagiermotorschiffes "CLADOW" für einen Berliner Eigner. An Antrieb diente hier ein Dreizylinder-Petroleummotor. Leider war dem Schiff nur eine kurze Fahrzeit beschieden. Es kam 1917 zur Kaiserlichen Marine und 'diente' bei 'einem Minensuchverband in der Ostsee. 1913 lief bei Gebrüder Wiemann ein für unsere Verhältnisse sehr großes Schiff vom Stapel: der Personendampfer "REX RHENI". Es war ein typischer Rheindampfer mit mehreren Decks übereinander und Platz für 1000 Fahrgäste.

All diese Entwicklungen wurden durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Die Werft besaß zu diesem Zeitpunkt 1914 ca. 500 Beschäftigte. Während des Krieges gab es keine Neubauten, lediglich Reparaturarbeiten konnten ausgeführt werden. Trotzdem wurde 1916 die 'Wiemann-Schraube' für Schleppdampfer mit erheblich verbesserter Zugleistung entwickelt und hergestellt. Ungewollt wurde aber während des Krieges der Wiemann-Dampfer zum "Exportschlager". Mit dem Vormarsch deutscher Truppen auf dem Balkan sollten dessen Kornkammern erschlossen und das Getreide auf der Donau in 's Reich transportiert werden. So gründete man 1915 die 'Zentrale Einkaufs-GmbH' (ZEG) in Berlin. Sie 'kaufte' Schleppdampfer auf, die dann 1916 von der 'Donau-Transport GmbH' (DTG), Hamburg, überführt wurden. Von acht großen Schraubendampfern waren fünf Wiemann-Bauten, von 17 Haveldampfern 15, und von 2 Charterschiffen stammte ebenfalls eines von Wiemann.

Die großen Schiffe wurden auf norddeutschen Werften zerlegt, per Bahn nach Deggendorf bzw. Regensburg transportiert und dort wieder zusammen gebaut. Die kleinen wurden über Hamburg-Nordsee-Weser-Mittellandkanal bzw. Emden - Dortmund-Ems-Kanal - Rhein - Main - Ludwigskanal zur Donau überführt. Außer bei dieser Großaktion kamen auch einzelne Schiffe - sogar ein Personendampfer -zur Donau. Sämtliche Schiffe erhielten auf der Donau andere Namen. In den 20er Jahren erlebte der Schiffbau in Brandenburg wieder einen gewaltigen Aufschwung. Außer Schleppdampfern entstanden für den zunehmenden Ausflugsverkehr zahlreiche Personendampfer, für die Neuruppiner Gewässer ebenso wie für Havel, Elbe und Rhein. Den technischen Höhepunkt jener Zeit bildeten aber die beiden größten jemals erbauten märkischen Personendampfer der Luxusklasse, "WINTERMÄRCHEN" und "COLUMBUS", beide auch für die Eisfahrt zugelassen.

Sie gehörten einer Berliner Reederei und konnten im  Kurzstreckenverkehr bis zu 1000 Personen aufnehmen.

Es arbeiteten auf der Werft zu dieser Zeit ca. 350 Beschäftigte in 20 verschiedenen Berufen. Einer dieser Mitarbeiter war der später bekannte Karikaturist Kossatz, der sich hier nicht nur seine Motive, sondern auch arg zerschundene Hände holte.

Aber auch von Rückschlägen blieb die Werft nicht verschont. So hatte sich der Dieselmotor gegenüber dem Petroleum- bzw. Otto-Motor durchgesetzt. Auch das 1928 entstanden große Passagiermotorschiff "SACHSEN-ANHALT" war damit ausgerüstet. Es gehörte einem Magdeburger Reeder und fasste 600 Fahrgäste. Im praktischen Betrieb stellte sich jedoch bald heraus, daß die beiden 130 PS starken Dieselmotoren unangenehme Schwingungen verursachten, so dass z.T. die Gläser von den Tischen fielen. So kam das Schiff zur Werft zurück. In Charter bei Antrick, Brandenburg, wurden nun mehrere Testfahrten auf der Oberhavel nach Neu Westerland (Götzer Berge) durchgeführt - sicher ohne dass die Fahrgäste das merkten! Nach neuen Berechnungen und nach Umbau der Fundamente kam das Schiff wieder in Fahrt und ist noch heute - nach über 60 Dienstjahren - bei der Weißen Flotte Magdeburg in Fahrt.

Zur 1000-Jahr-Feier Brandenburgs im Jahre 1929 konnte feierlich das 500. Schiff an seinen Eigner übergeben werden. Die Weltwirtschaftskrise und die Zeit der großen Arbeitslosigkeit wurden auf der Werft durch einen bemerkenswerten Export-Großauftrag überbrückt: das Marineministerium in Paris gab den Bauauftrag für 12 Hafenschlepper mit je 300 PS, und die 'Lyonaise' in Lyon den Auftrag für einen weiteren gleicher Bauart. In dieser Zeit unterstütze die Werft auch Arbeiten außerhalb des Betriebes: so den Bau des 'Arbeitslosenbootes' "NIE VERZAGT", das dem A.T.S.B. (Arbeiter- Turn und Sportbund) als Fährboot zwischen Seeschlösschen und Kiehnwerder diente. Ebenso wurde der Bau der Hochseeyacht "TORNADO III" unterstützt, den vier Arbeiter, Mitglieder des Segler-Vereins Nordwest, erbauten, um damit 1936 an der Bermuda-Regatta teilzunehmen.

Anfang der 30er Jahre übernahm die Werft das Patent für die Kort-Düse, durch die die Zugkraft der Schlepper um etwa ein Drittel bis zu einer Hälfte erhöht wurde, und das bei gleichem Kraftstoff-Verbrauch. Nachträglich wurden damit ca. 300 Schiffe ausgerüstet.

1931 gab es den ersten geschweißten Eimerkettenbagger und 1936 das erste geschweißte Motorgüterschiff mit Plauer Maß. Die Lärmbelästigung für die Anwohner durch die Niethämmer konnte beim Verfahren des Schweißens weitgehend reduziert werden. Als Neuentwicklung entstand nun auch eine Serie von Küstenmotorschiffen für den Verkehr mit den Ostseehäfen. Motorschiffe wurden jetzt in allen Varianten gebaut.

nach einer Vorlage von Hans-Joachim Bürger 

 

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