Historischer Hafen Brandenburg e.V.

Historische Aufnahme

Zwischen den Schiffen des gemeinnützigen Vereins „Historischer Hafen Brandenburg an der Havel e. V.“ liegt an exponierter Stelle auch ein ehemaliger Dampfbagger. Er ist Eigentum der Stadt Brandenburg an der Havel, aber leider derzeit nicht funktionstüchtig. Hergestellt wurde er 1903 von der Firma Menck und Hambrock, die einst in Hamburg-Altona ansässig, war. Seine Bau-Nummer 3262 weist ihn als Serienprodukt aus.
Die Dampfbagger waren von Anfang an für den Einsatz auf dem Land, auf Schienenfahrzeugen und auf dem Wasser vorgesehen. Geräte dieser Art haben und hatten für den Ausbau und die Unterhaltung der Wasser-straßen besonders große Bedeutung. Ganz zu Anfang wurden sie auf antriebslose Holzprahme, auf Pontons und auf Schiffe montiert. Mündlich überliefert ist, daß der Dampfbagger 3262 zuerst sogar auf einem Holzboot befestigt worden war.


Die Schiffswerft Fritz und Otto Mette in Brandenburg erwarb 1912 diesen Bagger von einer Ziegelei aus dem Brandenburger Umland. Der Betrieb von Otto Mette besaß zu damaliger Zeit als einzige Werft im Gebiet Berlin-Brandenburg die Möglichkeit havarierte Schiffe zu bergen.
Mette nahm in Folge konstruktive Veränderungen vor, die die Eisatzmöglichkeiten als Ramm- und Zieheinrichtung erweiterten.

Der eigentliche Arbeitskörper bestand danach aus


a) der Dampfmaschine mit dem Windwerk, dem Drehwerk und dem Ausleger
b) der Baggerausrüstung
c) der Rammausrüstung
d) der Ziehausrüstung.  


Die Stahlketten, die den Baggerkorb hielten, tauschte man gegen Stahlseile aus und legte die Ramm- und Ziehruten, die auch zum Einsatz kamen, auf dem Prahm ab. Damit konnte der Dampfbagger (nun auch Rammprahm) zu Arbeiten an Uferböschungen und Fundamenten und zum Ziehen bzw. Setzen von Dalben eingesetzt werden. Um aber diese Zusatzaggregate wie den Rammbär, die Rammrute und die Ziehrute sowie weiteres notwendiges Zubehör immer vor Ort zu haben, führte man alles in einer Transportschute mit. Durch eigene Windenkraft wurden die Teile je nach Bedarf aus der Schute gehoben und auf dem Rammprahm am Ausleger abgesetzt und befestigt.
Im Jahr 1966 übernahm die damalige PGH Wasserbau (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) als Nachfolgebetrieb der Firma Mette das Gerät. Etwa 1973 ersetzte man den ursprünglichen, an beiden Enden spitz auslaufenden Prahm (mit Holzboden) und hölzernen Aufbauten durch einen stählernen Prahm. Die PGH Wasserbau nahm die einseitige Kürzung (Herstellung eines geraden Hecks) einer angekauften Spülschute vor und rüstete sie mit neuen Aufbauten aus.   
Dieser so gestaltete Rammprahm wurde als Arbeits- und  auch als Wohnschiff genutzt.

Abmessungen des Rammprahms

Länge                19050 mm
Breite                   4820 mm
Tiefgang leer          420 mm
Tiefgang beladen 1250 mm


Zu den Arbeiten, die mit dem Rammprahm erledigt werden konnten, gehörten:

  • Winden bei Wasserbauarbeiten
  • Schiffshebungen
  • Kranarbeiten
  • Baggerarbeiten
  • Erstellen von Uferböschungen
  • Rammen von Spundbohlen
  • Rammen von Holz- und Stahlbetonpfählen
  • alle anfallenden Zieharbeiten (Ziehen von nicht benötigten oder störenden Dalben)

Die Ramme war in der Lage, neben senkrechten auch schrägstehende Dalben einzubringen.

    

 Technik auf der Havel und Bergen von Schiffen und Fahrzeugen in Berlin


Hauptbestandteile der Ramme


Oberwagen
Auf dem Oberwagen befand sich die Grundausrüstung. Dies waren alle ständig im Einsatz befindlichen Maschinenteile wie Kessel, Winden, Ausleger, Drehwerk, Kupplungen aller Art, Hubwerksbremse und Haltetrommelbremse. Er war auf 6 Kegelrädern gelagert und konnte durch den Drehkranz um 360 Grad bewegt werden. Geregelt wurden die Arbeitsabläufe durch Handräder sowie durch Hand- und Fußhebel.

Kessel
Im Einsatz war ein 1960 hergestellter geschweißter und überdachter Quersiederkessel. Er erzeugte Naß-dampf aus mit Kohle erhitztem Trinkwasser. Ein Rohrleitungssystem führte den Dampf zu seinen Einsatz-bereichen in der Maschine und über ein Zusatzventil zum Rammbär. Bei einer Anheizzeit von etwa zwei Stunden erzeugte der Kessel bei einer Heizfläche von ca. 6 m2  einen Betriebsdruck von ca. 7 kp/cm2 .
Die vorschriftsmäßigen und nachweispflichtigen Prüfungen waren während seiner Einsatzzeit wie folgt festgelegt: Außenprüfung: jährlich; Innenprüfung: 3-jährlich; Wasserdruck: 8-jährlich.


Ausleger
Der Ausleger besteht aus 2 gegenseitig versteiften U-Profilträgern die mit Bolzen am Grundrahmen abgelenkt sind. Er kann durch die Baggerwinde aufgerichtet werden. Im Betrieb ist die Ausladung fest fixiert.
Im Kranbetrieb wird das Hubseil einsträngig verwendet. Bei Baggerarbeiten kommen Zweiseil-Stangengreifer zum Einsatz.
                                                     
Einsatz als Kran:
Für den Kranbetrieb setzt man ein Hubseil (d = 24 mm) mit Endhaken sowie den 7300 mm langen Ausleger mit Kopfrolle ein. Bei einer max. Ausladung von 4800 mm beträgt die Tragkraft 5000 kp.

 

 

 

 

Arbeiten am Domstreng



Einsatz als Bagger:
Mit gleicher Ausrüstung wie beim Kran funktionierte der Bagger, jedoch mit zwei Hubseilen zum Heben und Senken sowie Öffnen und Schließen des Greiferkorb mit 0,4 m3 Inhalt.

 

 

 

 

Baggern in Dorotheenhof


Rammbetrieb
Für das Rammen von Dalben und Spundwänden befestigte man die aus der Schute gehobene Rammrute am Ausleger und am Ramm-prahm. Ein Drehen des Oberwagens war somit nicht mehr möglich und auch nicht gewollt. Danach wurde der Rammbär mit Kopfhaube in die Führung der Rammrute eingespurt.
Die dem Rammbär zugeführte Dampfleitung besaß ein Ventil, das durch eine Zugleine von Hand betätigt wurde. Beim Betätigen wurde der Rammbär ca. 1,50 m hochgeschleudert und fiel danach auf die Rammhaube, die die Schlagkraft auf die einzubringenden Pfähle bzw. Dalben übertrug und durch ihre Konstruktion ein Splittern der Pfahlköpfe verhinderte.  Dabei ist verständlich, daß die Eindringgeschwindigkeit von der Beschaffenheit und Dichte des Erdreichs abhängig war.


Als technische Daten der Ramme sind überliefert:

Rammbär,  Baujahr 1903                                       Rammen in Boehne
Bärgewicht.   750 kp
Theoretische Fallhöhe: 1500 mm                                                                              
Schlagfrequenz:  25 bis 30 min-1
Nutzhöhe der Ramme: 8000 mm  
Länge der Rammrute: 11000 mm
Kopfrolle (Durchmesser) 270 mm
Länge der für Rammarbeiten eingesetzten Stahlbetonpfähle                       bis 7 m.
Länge für Stahlprofile, Stahlspundbohlen und Stahlbeton-Spundbohlen      bis 8 m.

Zieheinrichtung
Zum Herausziehen von Pfählen wurde die Ziehrute ähnlich wie die Rammrute aufgenommen und an der Auslegerspitze und am Rammprahm befestigt. Dadurch stützt sich der Ausleger bei Zieharbeiten auf dem Prahmheck ab und ist für die Dauer des Einsatzes fixiert. Die Ziehrute besteht hauptsächlich aus zwei gegenseitig versteiften U-Profilen. Sie besitzt die Länge von 7000 mm und verträgt eine Ziehkraft von 7 Mp bei einsträngigem Seil und bei zweisträngigem Seil von 15 Mp. Dabei hat die Kopfrolle den notwendigen Durchmesser von 300 mm.

                                                                                       Zieh- und Baggerrute in der Schute
                                                                                       


Die Darstellungen dieses Artikels zeigen als Beispiele den Einsatz bei unterschiedlichen Arbeiten des Gerätes an einigen Orten der Brandenburger Region. 


Dem bereits durch den Kulturbund der DDR – Gesellschaft für Denkmalpflege – zur Aufnahme als technisches Denkmal gestellten Antrag ist aus der 1987 vorgenommenen Einschätzung zu entnehmen, daß sowohl bei den unterschiedlichen Nachweisen für die Folge der Besitzverhältnisse als auch für die Datierung der technischen Ersatz- und Ergänzungsmaßnahmen große Lücken bestehen. Nachweisbar waren derzeit nur die Modernisierung der Baugruppen  Rammprahm, Ramm- und Ziehrute sowie Kessel und die Kranseile.  


Es wurde eingeschätzt, daß die Konzeption als schwimmender Dampfbagger und die Anlage des Oberwagens noch in nahezu originalgetreuer Form vorhanden ist. Weiterhin wurde bestätigt, daß das Gerät ein „unglaubliches überlebendes Exemplar einer sonst ausgestorbenen Generation der Kran- und Wasserbautechnik“ ist.

Der „Dampframme“ 3262 wurde ihre große Bedeutung wie folgt bescheinigt: (Zitat)
„… Die universelle Einsetzbarkeit bei Wasserarbeiten ist noch heute technisch bemerkenswert. Ähnliches gilt für die Robustheit, Wirtschaftlichkeit und Wendigkeit des Gerätes. Der Bagger war, eine besondere Rolle spielend, jahrzehntelang auf den märkischen Wasserstraßen in Tätigkeit. Er ist als technisches Denkmal repräsentativ, da er einer Serienproduktion entstammt und in der zeitgenössischen Literatur beschrieben ist…“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Der Verein „Historischer Hafen Brandenburg an der Havel“ wird sich weiterhin liebevoll um dieses technik-, verkehrs- und wirtschaftsgeschichtliche Denkmal kümmern.

Ramme und Schute im Historischen Hafen Brandenburg an der Havel

 

 

 

 

 

 

 

Herbert Stahlberg
Mitglied des Vereins „Historischer Hafen Brandenburg an der Havel e. V.“
Recherchiert bei
Kulturbund der DDR
Dokumentation des Dampfbaggers der PGH Wasserbau, Brandenburg,
Fotos von Vereinsmitgliedern bzw. Vereinsarchiv

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