Historischer Hafen Brandenburg e.V.

Wie zahlreich der Auftragsbestand der Brandenburger Schiffswerft gleich nach ihrer Gründung im Jahre 1901 gewesen war, erkennt man am besten daran, dass der Neubau des Dampfers "NORDSTERN" mit dem Baujahr 1902 bereits die Bau-Nr. 22 trägt. Die damaligen Auftraggeber und Eigner waren Golsch & Kahle aus Brandenburg. Sie setzten ihren Neubau "NORDSTERN" vorwiegend im Personenverkehr der engeren und weiteren Umgebung Brandenburgs ein. In den Wintermonaten nutzte man den Dampfer aber auch zum Schleppen und hatte ihn darum mit einer verhältnismäßig leistungsstarken Dreifachexpansions-Dampfmaschine ausgerüstet, die natürlich ebenfalls von der Maschinenfabrik der Gebrüder Wiemann erbaut worden war.

Dampfer "NORDSTERN" hat eine Länge von 26,37 m und war 5,25 m breit Die Maschine hatte ursprünglich eine Leistung vor 200 PS bei 196 Umdrehungen pro Minute und einem Dampfdruck von 12 atü. Die Steuerung aller drei Zylinder erfolgt durch Flachschieber, die Umsteuerung ist eine Lenkersteuerung nach dem Patent von Klug mit Spindel und Handrad.

Die Maschine ist mit einem Einspritzkondensator ausgerüstet, die Kondensat-Nassluftpumpe, Kesselspeise- und Lenzpumpe werden über Schwinghebel vom Mitteldruckkreuzkopf angetrieben.

Als am 30. Oktober 1938 mit der Öffnung des Schiffshebewerks Magdeburg-Rothensee der letzte
Bauabschnitt des Mittelland-Kanals seinen Abschluß gefunden hatte, setzte sich der Dampfer
"NORDSTERN" als erstes Schiff in Richtung Hannover an die Spitze. Danach haben die ersten
Eigner ihren Dampfer "NORDSTERN" 1910 an Adolf Sutor (Vater von Otto Sutor) verkauft, (1966
erhielt der „Nordstern“ einen neuen Kessel). Es war ein Zweiflammrohr-Zylinderschiffskessel, erbaut
1939 von Hübner & Scheel, Berlin-Stralau, der Sattdampf mit einen Betriebsdruck von 17 atü liefert,
eine Heizfläche von 77,7 m2 hat und auch heute noch mit Braunkohlenbriketts-Feuerung in Betrieb
ist. Nachdem 1932 der Monopol-Schleppbetrieb in Minden auf dem Mittellandkanal für ihre
Schlepperneubauten durch den Ingenieur Kort erste Schleppversuche mit düsenummantelten
Propellern durchgeführt hatte, war Otto Sutor einer der ersten, der den Dampfer "NORDSTERN"
auf der Werft der Gebrüder Wiemann mit einer 'Kort-Düse' ausrüsten ließ. Wenn auch die
Maschinenleistung nach Einbau des neuen Kessel etwa gleich blieb, so erhöhte sich doch die
Schleppleistung nach Anbau der Düse um etwa 18%, entsprechend einer Leistung von 300 PS.
Otto Sutor setzte sich nach einem arbeitsreichen Schifferleben 1979 zur wohlverdienten Ruhe und
hätte seinen Dampfer sicher wie so viele andere abwracken lassen.
 

Aber da war glücklicherweise Lothar Bischof aus Nauen, der schon immer ein Dampfschiff-Liebhaber war. Für 4500 Mark erwarb er den Dampfer 'NORDSTERN', ließ umfangreiche Reparatur- und Erneuerungsarbeiten an Schiff und Maschine ausführen und nutzte den Dampfer als Privatunternehmer weiter zum Schleppen und auch zum Schieben von Kies und Kohlenprähmen. 1984 wurden auf der Schiffswerft in Havelberg erforderliche Revisionsarbeiten erledigt. Gleich nach der Wende im November 1989 und der Freigabe aller Wasserstraßen für die gesamtdeutsche Schifffahrt am 1. April 1990 charterte die Berliner 'Stern und Kreisschifffahrt' den Dampfer "NORDSTERN" als Fahrgastschiff, denn in West-Berlin gab es keinen Dampfer mehr. Lothar Bischoff startete von der Station Wannsee 90-Minuten-Fahrten rund um die Pfaueninsel, die schnell beliebt wurden. Im Juni 1991 unternahmen Dampferfreunde aus der Schweiz eine Reise quer durch Berlin mit dem Danpfer "NORDSTERN", und 1992 konnten die Hamburger den Dampfer mit dem Heimathafen Brandenburg am 8. Mai zu ihrem 803. Hafengeburtstag freundschaftlich begrüßen.

Wieder ein Jahr später war der Dampfer vom 10. bis 13 September 1993 zur 850-Jahr-Feier und zum 10. Hafenfest in der Stadt Lübeck zu Besuch erschienen. Auch am 805. Hafengeburtstag war Dampfer "NORDSTERN" vom 8. bis 10. Mai 1994 in Hamburg wieder dabei und beteiligte sich zusammen mit den Dampfschiffen "STETTIN",  "WOLTMAN", "CLAUS D", "TIGER" und "OTTO LAUFFER" an den Rundfahrten durch den Hafen.

Auf der Schiffswerft Havelberg völlig renoviert und mit neu ausgebauten Vor- und Achterschiff-Kajütsalons kehrte Dampfer "NORDSTERN" nach Brandenburg zurück. Die Dampfmaschine hatte man in Hamburg einer Generalüberholung unterzogen. Es war eine Zusammenarbeit mit den Potsdamer Jungunternehmern Jan Lehmann und Jörg Winkler geplant, die im Frühjahr 1995 den Dampfer "SACHSENWALD" aus Pirna gechartert urd die 'Havel-Dampfschifffahrt-GmbH' gegründet hatten. Ganz in weißen Anstrich gekleidet machte der Dampfer "NORDSTERN" dann auch ab 1. Mai 1996 In Potsdam seine ersten Charterfahrten aber nur für kurze Zeit. Lothar Bischoff kehrte mit seinem Schiff nach Brandenburg zurück. Dort verkehrte der Dampfer "NORDSTERN" bis 2017 nach festem Fahrplan vom alten Schiffsanlieger am Salzhofufer vor der Jahrtausendbrücke.

Seit Ende 2017 liegt der "NORDSTERN" mit Kesselschaden im Historischen Hafen Brandenburg an der Havel, in allernächster Nähe von seiner Geburtsstätte, der 'Gebrüder-Wiemann-Werft' und hofft auf baldige Reparatur.

 

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